Fast wäre es mir auch passiert. Beinahe hätte ich einen Blogartikel darüber geschrieben, dass die Ukraine von der EM so sehr profitiert, wie Südafrika von der WM, hätte darüber geschrieben, dass es schlimm ist, wenn die Ukrainer ihre Hunde erschlagen und ihre Oppositionellen einsperren. Leider wahr, aber auch so informativ, wie ein neuer Wallraff, der entdeckt, dass Dumpinglöhne und Sklavenverträge irgendwie doof sind.
Aber was macht eine Europameisterschaft so besonders? Bei jedem großen Fußballturnier sind wir wieder froh, zu den besten zu gehören, freuen wir uns, Deutsche zu sein. Große Sportveranstaltungen helfen uns dabei, eine gesunde Portion Patriotismus in unser recht angeschlagenes nationales Gedächtnis zu bringen. Der Umgang mit Flaggen, Symbolen und Idolen stärkt unsere nationale
Identität. Das gemeinsame Singen der Nationalhymne vor den Spielen der deutschen Mannschaft fällt plötzlich leicht, wird aufeinmal normal und das ist gut so. Damit sind wir glücklicherweise nicht allein. Die Lieder und die Trikotfarben mögen sich unterscheiden, der Stolz und die Freude sind bei allen gleich.
Diese Momente machen die Europameisterschaft zu mehr als nur einem großen Fußball-Event. Sie zeigen uns, dass wir in einem großen und starken Europa leben, das stolz sein kann auf das, was es geschaffen hat und auf das, was es ist. Natürlich sind wir noch davon entfernt, Beethovens Neunte zu singen und die Europaflagge zu wehen. Jedes europäische Fußballspiel bringt uns dem aber näher und eint uns weiter. Die größte europäische Integration findet in solchen Momenten und nicht in Kommissionen oder Treffen der Ministerpräsidenten statt.
Für Deutschland und für Europa freue ich mich auf vier spannende Wochen der gelebten Freundschaft, fernab von Rettungsschirmen, Krisentreffen und nationalen Anfeindungen.
Möge die beste Mannschaft gewinnen. Und möge es Deutschland sein. Soviel Patriotismus muss sein.
Andreas Cierpiol
Andreas Cierpiol ist angehender Sozialwissenschaftler und stellvertretender
Vorsitzender der Dortmunder Jusos. Dieser Artikel ist eine private Äußerung und steht
nicht in Verbindung mit politischen Ämtern
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen